Der Wappenvogel des NABU brütete 2016 erstmals in der Bielefelder Johannisbachaue. Der kurz zuvor dort auf Initiative des Bielefelder Umweltamtes und mit technischer Unterstützung durch die Stadtwerke Bielefeld aufgestellte Pfahlhorst wurde sofort besetzt. Dem Engagement und der umsichtigen Koordination des Umweltamtes (namentlich E. Worms) bei der Gestaltung und Pflege der Johannisbachaue sowie der Vorbereitung und Errichtung des Pfahlhorstes ist es somit zu verdanken, dass der Weißstorch in Bielefeld Fuß fassen konnte.
Die Ansiedlung löste eine stadtweite und bis heute anhaltende Begeisterung aus, sodass das Umweltamt weitere Pfahlhorste in der Aue und in anderen Bereichen Bielefelds installiert hat. Viele Menschen pilgern seitdem in die Aue, um einen der bekanntesten und eindrucksvollsten Vögel unseres Landes beim Brutgeschäft zu beobachten. Regelmäßig berichten die Zeitungen über dieses für Bielefeld außergewöhnliche Ereignis, und es gab sogar Namenswettbewerbe für die Eltern und Küken der Störche („Jo“, „Hanni“, „Adebärchen“).
Unverkennbar: Adebar, mit ca. 1 Meter Körperlänge eine unserer größten und auffälligsten Vogelarten, hat sich nun auch in Bielefeld niedergelassen. Fotos: A. Schäfferling
Die in der Presse oft zitierte Einordnung als „erste Storchenbrut seit 100 Jahren“ bezieht sich auf die weitere Bielefelder Umgebung: Die letzte Storchenbrut im Ravensberger Land fand 1912 in Westerenger statt (Kuhlmann 1950: Die Vogelwelt des Ravensberger Landes und der Senne. – 11. Bericht des Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld und Umgegend, 19-118), in Lippe 1903 bei Hörstmar (Peitzmeier 1979: Avifauna von Westfalen). Da der Weißstorch in Westfalen seit Menschengedenken selten ist (Peitzmeier 1979, Landois 1886), könnte es sich tatsächlich um den ersten Storch überhaupt im Stadtgebiet von Bielefeld handeln.
Mit vier flüggen Jungvögeln war die Brut 2018 in der Johannisbachaue besonders erfolgreich. Fotos: A. Schäfferling
Gleich der erste Brutversuch 2016 in der Johannisbachaue war erfolgreich und erbrachte einen flüggen Jungvogel, der Bielefeld Mitte August in Richtung Süden verließ. Auch aus der zweiten Brut 2017 wurde ein Jungstorch flügge, ein zweiter kam bei einem Absturz vom Horst ums Leben. 2018 verließen sogar vier Jungstörche das Nest. Vor Ort bemüht sich der Anlieger H.-D. Prester intensiv um das Wohlergehen der Storchfamilie.
Seit 2017 brütet ein zweites Weißstorch-Paar im Bielefelder Süden bei Hof Quakernack, ebenfalls auf einem Pfahlhorst. Das Paar hatte jedoch bei seiner Erstbrut keinen Erfolg, weil es vermutlich noch zu jung war. 2018 wuchsen hier zwei Jungstörche auf.
Flugstunden auch auf dem Meierhof im Tierpark Olderdissen. Fotos: J. Albrecht
Ebenfalls seit 2017 brütet ein drittes Paar („Herr und Frau Meier“) in Bielefeld auf der Futterscheune des Tierparks Olderdissen, das dort 3 Jungvögel großzog und dabei stark vom Futterangebot des Tierparks profitierte. In den beiden Jahren davor hatten bereits Störche das dortige sechs Jahre alte Kunstnest besichtigt, waren aber nicht zur Brut geblieben. 2018 gab es sogar fünf Jungstörche.
Aus der aktuellen Roten Liste 2016 der Brutvogelarten NRW konnte der Weißstorch als ungefährdet entlassen werden, denn sein Bestand hat sich in den letzten 30 Jahren von nur noch drei Paaren 1991 im Kreis Minden-Lübbecke auf landesweit 329 Paare erholt (Stand 2018 nach Jöbges, NWO-Mitteilungen Nr. 48 v. Januar 2019). Diese Zahl liegt deutlich über dem bisherigen Maximum im 19. Jahrhundert (vgl. C. Grüneberg et al. 2016: Rote Liste der Brutvogelarten Nordrhein-Westfalens, 6. Fassung, Stand: Juni 2016. - Charadrius 52, Heft 1-2)! Allein im Mühlenkreis gab es 2018 ganze 74 Paare (www.sturmmöwe.de vom 28.4.2019), im Jahr 2017 im Kreis Paderborn 40; große wildlebende Storchenkolonien gedeihen in zoologischen Gärten (Rheine 125 Paare, Münster 35 Paare; Zahlen nach Bense 2017: Weißstorch-Jahresbericht 2017 für den Mühlen- und Storchenkreis Minden-Lübbecke, erschienen 2017 im Ornithologischen Mitteilungsblatt Nr. 65 für OWL des NABU Bielefeld).
Diese Entwicklung gilt auch bundes- und weltweit. Der recht gut dokumentierte Weltbestand von ca. 233.000 Horstpaaren (2013/2014) hat seit etwa 1995 um rund 40% zugenommen, die Westpopulation sogar um 85% (https://bergenhusen.nabu.de/weissstorch/17202.html). Einer der möglichen Gründe ist die verringerte Wintersterblichkeit, weil viele westziehende Weißstörche im Winter auf der Iberischen Halbinsel bleiben und sich dort vorwiegend auf Mülldeponien und Reisfeldern ernähren.
Kein Kindertraum mehr: Der Klapperstorch fliegt über Bielefeld! Fotos: A. Schäfferling
Von dieser erfreulichen Entwicklung und dem zahlreichen Storchennachwuchs profitieren Bielefeld und die Nachbarkreise zweifellos. Weißstörche werden meist mit drei bis vier Jahren brutfähig, und nach und nach suchen Hunderte von Jungstörchen eigene Reviere und Nistgelegenheiten.
Einen zunehmenden Engpass dürfte zukünftig die Nahrungsverfügbarkeit bilden. Störche fressen Lurche, Fische, kleine Säuger wie Mäuse und Maulwürfe und manchmal auch kleine Vögel. Auch größere Insekten, Würmer etc. werden nicht verschmäht. Da aber ein Storchenpaar mit 4 Jungen täglich um die fünf Kilogramm Nahrung benötigt, brauchen Störche große und naturnahe, extensiv genutzte Nahrungsreviere. In unserer Landschaft finden sie diese kaum noch. Bielefelder Störche fliegen mehrere Kilometer weit auf der Suche nach nahrungsreichen Flächen und können daher im gesamten Stadtgebiet angetroffen werden.
Natürlich kann man Störche auch füttern – aber eine artenreiche und vielfältige Landschaft wäre langfristig doch die bessere Alternative. Unsere neuen Mitbewohner in der Stadt sollten uns daher motivieren, den Natur- und Landschaftsschutz zu stärken – Tausende neue und begeisterte Storchenfreunde in Bielefeld werden dem sicherlich zustimmen!
Nachfolgend sind die zahlreichen Presseberichte über die Bielefelder Störche in chronologischer Reihenfolge zusammengestellt. Wir danken den Bielefelder Zeitungen sehr herzlich für die intensive Berichterstattung!